Die Adventszeit ist ursprünglich eine Zeit der Besinnung und Vorbereitung auf die Ankunft Jesu. Nur, wer tut das noch? Stattdessen stolpern die meisten von uns hektisch durch die Tage bis zum 24. Dezember. Ich selbst nicht ausgeschlossen. Damit soll jetzt Schluss sein.
Die Zeit vor Weihnachten ist eine der schönsten für mich. Das war schon immer so. Besonders als Kind war die Vorfreude groß. Oma backte tagelang Stollen und Plätzchen. Alles wurde sorgfältig in Dosen verpackt und im kühlen Schlafzimmer meiner Großeltern oben auf dem Kleiderschrank verstaut. War ich allein im Haus, turnte ich auch schon mal auf der hohen Bettkante herum, um oben an die Blechdosen zu kommen. Geklaut habe ich nichts, schließlich sieht das Christkind alles. Jeden Adventssonntag gab es dann schon mal das eine oder andere Plätzchen zum Probieren. Dazu dicke, saftige Apfelsinen oder sogar einen saftigen Bratapfel. Wir zündeten die Kerzen auf dem Adventskranz an, ich trällerte Weihnachtslieder, wartete auf Schnee zum Rodeln und freute mich aufs Christkind. Warum genau wusste ich damals gar nicht so genau. Die Geschenke waren es ein wenig, aber nicht nur. Vielmehr war halt irgendwie in dieser Zeit immer so etwas Spezielles zu spüren: das Warten auf etwas ganz Besonders, auf etwas Wunderbares, Schönes, Heiliges.
Am Heiligen Abend aßen wir dann Würstchen mit Kartoffelsalat. Danach wartete ich wie stets mit Oma und Eltern in der Küche, schaute aus dem Fenster, um eventuell einen Blick auf das Christkind zu erhaschen, das im Schlitten mit seinem Helfer Knecht Ruprecht heranrauschen sollte. Bis endlich das Glöckchen klingelte. Im Wohnzimmer brannte der mit Kugeln, Lametta und Kerzen geschmückte Baum, Opa stand stolz daneben und unter dem Baum lagen Geschenke. Es duftete nach leckerem Weihnachtspunsch. Fröhlich waren sie, die Weihnachtsabende inmitten der Familie. Wir saßen beieinander, bewunderten gegenseitig unsere Geschenke. Krönender Abschluss war stets das kleine Glas Eierlikör, das ich mit Hingabe ausschleckte bevor ich zufrieden in mein Bett sank.
Warten aufs Christkind
Auch in diesem Jahr brennen die Kerzen am Adventskranz wieder. Besondere Freude macht mir, meinen Balkon in ein kleines Winter-Wonderland zu verwandeln. Nicht ganz so üppig, wie es vielleicht die Amerikaner machen, aber immerhin. Sterne, Figuren, Lichterketten sind aufgehängt, ein Kranz an der Tür befestigt, der hölzerne Nikolaus steht gleich daneben. Anschließend schreibe ich noch Karten bis mir die Hand weh tut. Kein Wunder. In Zeiten der E-Mails bin ich das Schreiben gar nicht mehr gewohnt. Aber Karten sind eben persönlicher, und sie sollen doch persönlich sein, die Weihnachtgrüße an die Freunde.
Die Adventszeit, auf die ich mich jedes Jahr freue, ist leider viel zu schnell vorbei. Schon in zwei Wochen ist wieder der 24. Dezember. Weihnachten kommt einfach immer zu früh. Besonnen habe ich mich bisher noch kaum. Genau wie viele andere, die vor lauter Arbeit und Terminen es nicht schaffen, sich innerlich auf Weihnachten vorzubereiten. Wir sind überladen mit Dekorationsstress, Geschenke kaufen, Weihnachtsfeiern oder Bummeln über den Weihnachtsmarkt.
In einer Zeitung schreibt ein Pfarrer: „Jesus kommt zu uns, ob wir nun vorbereitet sind oder nicht.“ Er erinnert daran, dass die Adventszeit vor allem auch eine „kleine Fastenzeit“ ist. Während überall konsumiert wird und ein Rummel um Weihnachten stattfindet, versucht er, auch die eigene Lebensführung zu überdenken. Er überprüft zum Beispiel seinen Terminkalender auf die wirklich wesentlichen Einträge. Er nimmt sich Zeit, auf sein Leben zu schauen, darauf, wie sein Leben mit Gott aussieht, ob alles so ist, wie er es will. Nachahmenswert, oder?
Weihnachten kommt immer wieder
Bei mir ist es mein wankender Glaube, der es mir nicht einfach macht. Jesus wird geboren, um die Welt zu erlösen? Die frohe Botschaft verändert unser aller Leben? Am Ende wird alles gut? Und wenn es noch nicht gut ist, ist es bei Gott noch nicht das Ende. Echt jetzt? Mein kindlich katholisches Herz glaubt zwar an Wunder und sehnt sich nach Hoffnung. Mein erwachsener Kopf dagegen streikt. Wenn ich versuche, es dem Pfarrer nachzutun und auf das Wesentliche im Leben zu schauen, wird mir dann auch gleich weh ums Herz. Ist auf Erden nicht alles begrenzt, kurzatmig und vergänglich? Doch auf Weihnachten warten – sagte mal ein Dichter – das sei genau die richtige Zeit, um mit aller Hoffnung und Liebe dem Leben Richtung zu geben.
Niemand besitzt Gott so, dass er nicht mehr auf ihn warten müsste. Und doch kann niemand auf Gott warten, der nicht wüsste, dass Gott schon längst auf ihn gewartet hat.
Dietrich Bonhoeffer, 1906-1945, deutscher Theologe
Zum Glück – oder besser Gott sei Dank – wird es immer wieder Weihnachten geben – völlig unabhängig davon, ob wir nun glauben oder nicht, ob wir uns nun besinnen oder nicht. Immer wieder kommt mit dem Fest eine neue Chance, an Wunder zu glauben, neue Wege zu gehen und nach den Sternen zu greifen.
In diesem Sinne, liebe Leserin, wünsche ich Dir eine wunderbare Adventszeit und ein fröhliches Weihnachtsfest. Mache dieses Weihnachtsfest zu etwas ganz Besonderem!
Hilde
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