Vor Weihnachten türmen sich die Einladungen zu den Adventsnachmittagen und Weihnachtsfeiern für uns Senioren und Singles. Doch gut gemeint, ist nicht immer gut.

Man kann wirklich nicht sagen, dass sie sich nicht bemühen – um uns Senioren und Menschen, die keine Familie haben und die Weihnachtstage wohl eher alleine verbringen. Niemand soll sich in dieser Zeit einsam fühlen müssen. Die Parteien laden ihre älteren Mitglieder zum fröhlichen Adventskaffe ein. Die Caritas organisiert einen Wichtelnachmittag, die Kirchengemeinde veranstaltet einen besinnlichen Adventskreis und die Nachbarschaftshilfe lädt großzügig am Heiligabend ins Restaurant zum Essen ein. Für weihnachtliche Stimmung ist gesorgt. Frau Schmitz trägt alle Jahre wieder das Gedicht über den außer Kontrolle geratenen Weihnachtsbaumständer in hessischer Mundart vor. Herr Meier spielt auf seinem Akkordeon bekannte Weihnachtslieder. Auch der Chor der freiwilligen Feuerwehr kommt noch auf ein Ständchen vorbei. Und natürlich fehlen auch die kleinen, niedlichen Tänzerinnen der örtlichen Ballettschule nicht, die ihre Ballottés und Ballonnés zum Besten geben. Oh du fröhliche.

Und da sitzen wir dann, wir Alten und Alleinstehenden, lächeln uns gegenseitig höflich zu, loben die selbstgebackenen Plätzchen und versuchen den Darbietungen das Beste abzuringen. Schließlich ist es doch alles so nett gedacht und arrangiert. Da muss man doch dankbar sein – bei so viel Mühe und Nächstenliebe.

Emmi Lehmann hat sich groß in Schale geschmissen. Sie kommt schon im dritten Jahr, darf aber wegen ihrem Diabetes nichts Süßes essen. Sie hat ihre Nachbarin Ursel mitgebracht, deren Mann vor kurzem verstarb und die jetzt nur noch ihre Katze hat. Vergeblich versucht Emmi sie in ein Gespräch zu verwickeln. Doch Ursel scheint nicht so viel für Small Talk übrig zu haben und will früh gehen, nicht ohne mehrmals zu erwähnen, dass sie Silvester mit einer Freundin im Golfhotel feiern wird. Männer sind eher rar. Die haben es wohl nicht so mit Weihnachten. Ob das anders wäre, gäbe es Bockwurst und Freibier?

Ursel erzählt später, dass das so gar nicht ihr Ding war, als hätte man ihr auf die Stirn ein  „alt“ oder „einsam“ aufgebrannt. Und alle um sie herum trügen das gleiche Brandzeichen. Man stelle sich nur vor, meint sie, es gäbe solche Veranstaltungen für Arbeitslose oder Menschen ohne Haare. Eines muss man ihr lassen – Ursel hat einen schrägen Humor. Verstanden habe ich sie trotzdem. Mit gänzlich unbekannten Menschen zusammen zu sitzen und Kaffee zu trinken, mit denen man meist nur annähernd eines gemeinsam hat, nämlich das Alter, erscheint auch mir reichlich abstrus. Ich bekomme schon Beklemmungen, wenn ich zum Senioren-Kaffeeklatsch eingeladen werde. Es macht eben einen Unterschied, wenn man sich trifft, weil man Interessen teilt oder Interesse aneinander hat, sich gerne mag und daher Zeit miteinander verbringen will – oder ob es eben das „Alt- und Einsamsein“ ist.

Wahrscheinlich ist Weihnachten eine Zeit, in der sich viele mehr oder weniger einsam fühlen, zumindest einsamer als sonst. Alle anderen scheinen schwer beschäftigt, sprechen ständig von Familie,  Geschenken und was sie so zu den Festtagen planen. Überall gibt’s Werbung mit fröhlichen Menschen, die glückselig gemeinsam Weihnachten genießen. Da kann einem schon mal bewusster werden, dass man alleine lebt und dies nicht gerade einfach ist. Aber ist man deshalb gleich unglücklicher? Und wenn man gerade an Weihnachten nicht alleine sein will, wäre es dann nicht eine gute Idee, sich mit Menschen zu vernetzen, denen es genauso geht und mit denen man sich vorstellen könnte, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen? Am besten ganz unterschiedliche Menschen: Alt, jung, schwarz, weiß oder gestreift, fremd, einheimisch, egal. Oder schaffen wir das in fortgeschrittenem Alter dann doch nicht mehr? Sind Seniorenkaffees unsere Zukunft?

Persönlich habe ich mit weitgehend mit Weihnachten arrangiert und überfrachte die Feiertage nicht mehr mit unrealistischen Idealen. Ich versuche es zumindest. Im Advent tobe ich mich so gut es geht mit kleinen Einladungen zum Kaffeetrinken, Plätzchen backen oder Basteln aus. An Weihnachten selbst mache ich es mir gemütlich, koche was Gutes oder schaue mir nette Filme an. Manchmal werde ich etwas sentimental, aber meist nur kurz. Manchmal schauen auch Freunde vorbei. Dieses Jahr bekomme ich an einem der Feiertage Besuch von einem Menschen, den ich gerne mag. Wir kochen zusammen – es gibt Ente. Das empfinde ich als ein besonderes Geschenk, und ich freue mich schon sehr darauf.

Ich wünsche Euch allen ein frohes Weihnachtsfest. Möge wahre Weihnachtstimmung voller Zuversicht, Hoffnung und Frieden in Eure Herzen Einzug halten und Euch froh und glücklich machen.

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