…schaut man nicht ins Maul. Aber muss man sich wirklich alle Geschenke gefallen lassen? Warum Schenken manchmal ganz schön anstrengend sein kann, nicht alle Geschenke die Freundschaft erhalten und schon gar nicht uneigennützig sind.

 Weihnachten ist vorüber. Die Zeit der Liebe und Geschenke. Mir scheint, dass das Schenken mit jedem Jahr anstrengender wird. Früher kam es mir jedenfalls einfacher vor. Vati freute sich über sein Lieblings-Rasierwasser, Opa über die Villa Zamorano Robusto. Oma bekam eine Sonderausgabe ihres Rätselhefts, Mutti eine Platte von Rudolf Schock und ein elektrisches Messer, mit dem Vati am nächsten Tag hingebungsvoll die Gans tranchierte. Das waren noch Zeiten.

Eine riskante Angelegenheit

Heute ist das anders. Schließlich haben die meisten in unserem Alter schon alles. Die Ansprüche sind entsprechend hoch. Da braucht es schon etwas Phantasie, noch etwas zu finden, was das Herz des Beschenkten erfreut. Denn alles Schenken bringt ja nichts, wenn man nicht richtig schenkt. Es heißt: Wer „erfolgreich“ schenken will, muss Empathie entwickeln und sich mit den Vorlieben seines Gegenübers beschäftigen. Da ist was dran.

Doch trotz aller Mühe lag ich jedenfalls bereits des Öfteren daneben. Warum sonst sah ich den Schal, für den ich stundenlang die Stadt durchkämmt hatte, nie am Hals der Beschenkten? Auch die liebevoll ausgesuchte Halskette verschwand spurlos im Nirwana. Sogar vorab geäußerte Wünsche zu erfüllen, kann schiefgehen. Die erwähnte Ballonfahrt war mehr „wishful thinking“ als real ersehnt, der beste Rotwein wird plötzlich nicht mehr vertragen und der verschenkte Wellness-Tag passt leider nicht in den Terminplan.

Ja, selbst mit kleinen Aufmerksamkeiten kann man falsch liegen. So stelle ich seit Jahren Nachbarn einen kleinen Nikolaus-Gruß vor die Tür. Von den acht Parteien gab mir eine das Geschenk gleich kommentarlos wieder zurück, eine andere retournierte das Paket mit nettem Dank und einem „aber ich kann das nicht gebrauchen“ wieder. Nur zwei wünschten mir ebenfalls eine frohe Weihnacht.

Solche Erfahrungen frustrieren und hängen wie Pech in der Erinnerungssynapse. Offensichtlich genügt die gute Absicht allein nicht. Schenken ist eine riskante Angelegenheit, das Richtige zu finden eine Gradwanderung.

Geschenkt ist geschenkt

Aber seien wir mal ehrlich, insgeheim sind die meisten von uns doch leicht enttäuscht, wenn ein Geschenk so gar nicht passt. Wie kam die Freundin nur auf die Idee, dass man gerne Peter Maffay hört? Warum schenkt uns Mutti immer wieder Rosamunde Pilcher Romane? Und dem eigenen Ehemann fällt auch nichts Besseres ein, als jedes Jahr  das gleiche Parfüm auf den Gabentisch zu legen. Wenn mir – wie bereits geschehen – ein Übertopf in Form eines schwarzen Schwans mit goldenem Schnabel überreicht wird, kann ich es trotz aller Anstrengung jedenfalls nicht ganz verhindern, dass mir die Gesichtszüge entgleisen.

Irgendwann weicht die Dankbarkeit einem Gefühl der Beklemmung und man fragt sich, ob solche Missgriffe rein auf die Tatsache zurückzuführen sind, dass die Geschmäcker eben verschieden sind – oder es dann doch an dem oben erwähnten Einfühlungsvermögen mangelt.

Gleich aus welchem Grund, die Enttäuschung ist die gleiche. Denn schließlich wünschen wir uns doch tief im Inneren zumindest von denen, die uns am nächsten stehen, Geschenke, die unser Herz berühren. Und oft wären gerade diese Geschenke weder aufwendig noch teuer. Dazu fällt mir ein Märchen ein, in dem eine verwöhnte Prinzessin von allen möglichen Prinzen mit den teuersten und edelsten Geschmeiden beschenkt wird. Die Diamanten und Edelsteine funkeln nur so um die Wette, ebenso wie die Heiratskandidaten. Dann kommt ein armer Hirte daher und schenkt ihr ein kleines, unansehnliches Schächtelchen. Und als die Prinzessin es öffnet, fliegen Hunderte bunte Schmetterlinge hoch in die Luft. Nun ratet mal, wer das Herz der Prinzessin erobert hat?

Schenken ist Beziehung gestalten

Nun könnte man natürlich argumentieren, dass es so gar nicht darauf ankommt, was geschenkt wird, sondern die Geste an sich zählt. Der Schenkende hat immerhin Mühe, Geld und Zeit für das Geschenk aufgewendet. Doch auch wenn das jetzt eine Illusion zerstört: Schenken ist alles andere als selbstlos. Wir schenken, weil es uns zuerst guttut und dann erst dem anderen. Da sollte man sich nichts vormachen. Mit dem Schenken drücken wir einerseits unsere Wertschätzung, unsere Zuneigung, Freude oder Dankbarkeit aus. Allerdings können Geschenke auch ein Ausdruck von Abhängigkeiten sein oder darauf abzielen, bestimmte Reaktionen zu erreichen. Und so ist Schenken auch heutzutage durchaus noch mit Erwartungen verbunden. Kein Schenken ist ohne Selbstzweck – so die Wissenschaft.

Und trotzdem: Schlimmer als danebenzugreifen, sei da nur eines: nämlich gar nichts zu schenken, sagt Friedrich Rost, Professor für Psychologie und Erziehungswissenschaft an der Freien Universität Berlin „Präsente wirken wie sozialer Kitt. Wer nichts gibt, riskiert, zum sozialen Außenseiter zu werden.“ Frauen können da richtig sauer werden – Männern ist es, aut Untersuchungen, eher egal, wenn sie nichts bekommen. Übrigens: Auch ein Geschenk zurückzuweisen, kann für das Verhältnis untereinander katastrophale Folgen haben: „Wenn man ein Präsent nicht annimmt, kann das wie eine Kriegserklärung wirken“, behauptet Rost.

Schenken oder nicht, das ist die Frage

Wie stehe ich denn nun zum Schenken bzw. beschenkt werden? Ich bin zwiegespalten. Fakt ist: Es ist nicht leicht, das richtige Geschenk zu finden. Deshalb schenken sich viele ja auch schon gar nichts mehr, zumindest nicht zu Weihnachten. Und da ist ja auch noch was anderes: Wir konsumieren sowieso schon viel zu viel. Wäre es da nicht besser, wir schenken nur denen, die es wirklich brauchen?  Also besser spenden statt schenken?

Bei einem Menschen wie mir, der wie die meisten Frauen gerne schenkt, bleibt da trotz aller Einsicht und Vernunft irgendwie ein  fader Nachgeschmack. Stell dir vor, es ist Weihnachten und du gehst leer aus.  Wo beibt die Freude, die man empfindet, wenn man andere beschenkt? Wo bleibt die Überraschung im Leben? Ich bleibe dabei: Schenken ist eine Herzensangelegenheit. Die Vorfreude beim Suchen, Einpacken und Überreichen möchte ich nicht missen. Aber vielleicht schaffe ich es ja, in Zukunft etwas Druck rauszunehmen und  bewusster zu schenken. Ringelnatz bringt es für mich auf den Punkt:

Schenke groß oder klein,
Aber immer gediegen,
Wenn die Bedachten, die Gabe wiegen,
Sei dein Gewissen rein.

Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei, was in dir wohnt
An Meinung, Geschmack und Humor,
Sodass die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.

Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
Dass dein Geschenk
Du selber bist.

Foto: dakota-corbin-xh4mG4cqHGg-unsplash