… ich wäre Prinzessin, hätte das Talent meiner Kollegin oder das Haus meines Nachbars. Überhaupt wäre ich gerne so sexy wie Jessica Biel. Oder – noch besser – wäre einfach ein neues, zweites Leben. Du kennst diese Sehnsüchte? Vorsicht: Sie sind gefährlich!

Filmtitel: „Der Mann, der zweimal lebte“. Mit Rock Hudson in der Hauptrolle erwartet man ja immer irgendwas Lustiges. In diesem Fall wärst Du enttäuscht gewesen. Es handelt sich bei diesem Streifen um einen Sci-Fi-Thriller aus dem Jahr 1966. Eine verstörende, existenzialistische Geschichte mit ungewöhnlicher Kameraoptik. Die Story: Arthur ist ein ins Alter gekommener, frustrierter Typ und steckt in einer massiven Lebenskrise. Sein Leben mit Familie und Bankerkarriere will er nicht mehr. Er nimmt das Angebot einer anonym operierenden Firma an, mit geändertem Namen und Äußeren ein neues Leben zu beginnen. Wie das ausgeht, verrate ich später.

Das Leben der anderen

Mir kam jedenfalls die Situation dieses Typs nicht ganz unbekannt vor. Naja, vielleicht jetzt nicht ganz so krass. Das erste Mal, als ich mir das Leben einer anderen gewünscht habe, war mit 13. Karins Eltern hatten einen Blumenhandel und ein Haus, waren wohlhabend und irgendwie hatte die Schulkameradin so was „Elitäres, Besonderes“ an sich. Ich dagegen – na lassen wir das. Später kannte ich Angie. Zum 18. Geburtstag bekam sie von ihren Eltern das Geld für den Führerschein geschenkt mit dazugehörigem Auto. Als sie auszog, renovierte ihr Vater die neue Wohnung und machte für sie den Umzug. Alles war in ihrem Leben geregelt und lief so glatt. Ich dagegen hauste in einem kleinen, dunklen Souterrain-Zimmer. Nichts in meinem Leben war damals auch nur ansatzweise beständig.

In meinem späteren Leben kamen ungezählte Situationen wie diese dazu. Da war die Kollegin, zwar weniger begabt und kreativ wie ich, aber eben im Auftreten genau die PR-Frau, wie man sie sich ideal vorstellt. Und jetzt könnt ihr mal raten, wer mehr Erfolg hatte. Oder die Freundin, die wegen ihres mädchenhaften Typs immer super gut bei Männern ankam, während bei mir nie nur ein Lächeln genügte. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Irgendwie war das Leben der anderen stets ideal und meines eben nicht ganz so ideal. Nein, Neid war es nicht. Ich gönnte den anderen ja ihr Glück. Nur hätte ich eben auch gern ein Stück davon abgehabt.

Vergleiche bringen gar nichts – und Neustarts?

Die Psychologie rät von Vergleichen ab. Denn wenn man sich mit anderen vergleicht, ist die Gefahr, dabei nicht gut wegzukommen, ziemlich groß. Gerade Frauen kennen das gut. Wir verlieren bei solchen Vergleichen zumeist vollkommen das Gefühl für Realitäten, geraten in absurde Überhöhungen oder unrealistische Vorstellungen. Außerdem verlieren wir dabei vollkommen den Blick auf das, was wir selbst sind, tun und haben. Die Folgen sind schwer: Depression, Minderwertigkeitsgefühl, mangelndes Selbstvertrauen und Unglücklichsein.

Wäre da nicht ein neues, zweites Leben der Ausweg? Irgendwie hat das was verlockendes, wie Arthur ein neues Leben zu beginnen. Ein Neustart. Mit einem attraktiven Äußeren, dem Idealberuf und -partner, eben einem Wunschleben. Zumindest könnte man jetzt alles anders, besser machen. Stellt sich die Frage: Gibt es das überhaupt, ein perfektes Leben? Und wenn ja, wieviel perfektes Leben können wir ertragen? Wie oft träumen wir vom Lottogewinn und hören doch immer wieder von Gewinnern, die kurz drauf Pleite gingen. Wir heiraten aus Liebe, für immer – und sind zwei Jahre drauf bereits geschieden.

Hüte dich vor dem, was du dir wünscht, es könnte in Erfüllung gehen

Tja, vielleicht ist es doch nicht so erstrebenswert, das mit dem neuen, zweiten Leben. Na, jedenfalls ist unsere Vorstellung davon, was Glück ist, vielleicht nicht immer so zutreffend. Sobald sich nämlich ein Wunsch erfüllt, tritt ein neuer an seine Stelle. Wir sind nicht einfach glücklich, mit dem was wir haben. Es muss immer wieder ein neuer Traum, eine neue Erwartung, eine gewisse Spannung entstehen, damit wir uns überhaupt spüren. Trotz allem Überfluss ist es nie genug. Dazu wahrlich wahre Worte des Dichters Arthur Schnitzler:

Die Sehnsucht ist es, die unsere Seele nährt
und nicht die Erfüllung.
Und der Sinn unseres Lebens, ist der Weg
und nicht das Ziel.
Denn jede Antwort ist trügerisch, jede Erfüllung zerfließt uns
unter den Händen;
und das Ziel, ist keines mehr,
sobald es erreicht wurde.

Beim Film-Arthur jedenfalls entpuppt sich der Neuanfang als Sackgasse. Sein zweites Leben war schnell genauso inhaltsleer und ebenso von Zwängen gezeichnet wie seine vorherige Identität. Eines hatte er nicht bedacht: man nimmt sich selbst halt immer mit – gleich wohin man reist. Arthur jedenfalls nahm ein denkbar schlechtes, ja niederschmetterndes Ende.

Ergo, wenn Leere von uns Besitz ergreift, ein Mangel spürbar wird, ist weder Konsum, noch sich selbst fertig machen eine Lösung – und auch nicht das vielleicht ersehnte zweite Leben. Finden wir also heraus, wie wir glücklich sein können, so wie wir sind. Ganz ohne Suchen, Mühe und Leid. Und stell dir vor, wir finden dabei heraus, dass alles perfekt ist, wie es bereits ist. Wäre das nicht wunderbar?

von Hilde

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