Was immer ich tue, ich zweifle stets, ob meine Entscheidung richtig war. Wer allerdings sein Jetzt und seine Zukunft gestalten will, muss Entscheidungen treffen und die erfordern Mut.
Dieser Blog ist noch nicht mal online und schon kommen mir Zweifel. Erst gestern erzählte mir eine Freundin wie unsympathisch ihr all dieses Facebook–und Instagram-Gedöns ist, dass sie nie was von sich posten würde. Bloggen, das würden doch nur Leute, die ein übertriebenes Selbstdarstellungsgen besäßen oder einfach zu viel Zeit hätten. Eine kalte Dusche für meinen Enthusiasmus. Zweifel quälen mich. Was, wenn kein Mensch FrauenSalon auch nur annähernd interessant findet, die Themen nur langweilen? Wenn niemand bereit ist, sich einzubringen oder auszutauschen?
Niemand behandelt uns so mies, wie wir uns selbst
Wir kennen es wohl alle: wir Frauen leiden des Öfteren an Selbstzweifeln und zwar häufiger als Männer, selbst erfolgreiche. Da ist X. Sie ist adrett, schlank, hat studiert und einen guten Job. Sie ist gut verheiratet, die Kinder sind gelungen. Sie ist eloquent und herzlich. Trotzdem sagt sie, sie habe immer das Gefühl, sie müsse im Job Theater spielen. Von dominanten KollegenInnen lässt sie sich verunsichern. Für wichtige Meetings übt sie vorher tagelang ihren Part, weil sie Angst hat, nicht souverän zu wirken. Wenn’s gut läuft, hat sie trotz allem nur Glück gehabt. Erfolge sind Zufälle. Jedes Lob wird entwertet. Jede Kritik nimmt sie persönlich. Niederlagen lösen wochenlanges Grübeln aus. Sie weiß, wie absurd das ist. Trotzdem leidet sie. An sich selbst.
Ich kenne dieses Gefühl gut. Großartige Frauen wie wir hadern gern mit sich selbst. Wir zaudern, stellen unser Licht unter den Scheffel. Uns passiert das immer wieder, während sich die meisten Männer schon beim geringsten Anlass vor Selbstbewusstsein strotzend als Überflieger verkaufen. Natürlich sind nicht alle Frauen so, und es gibt auch zweifelnde Männer. Doch das Klischee stimmt. Frauen schätzen sich weniger positiv ein als Männer. Dummerweise machen sie es auch zum Thema und reden sich damit noch dazu auf diese Weise klein.
Was sagen bloß die anderen?
Liest man einschlägige Literatur, erfahren wir Folgendes: Während Männer ihr Selbstvertrauen hauptsächlich aus sich selbst schöpften, sei der Selbstwert bei Frauen abhängiger von Rückmeldungen der Außenwelt. Frauen definieren sich also stärker über andere, das Feedback von außen spielt eine große Rolle. Dieser Zustand verweist auf einen niedrigen Selbstwert, der zwangsläufig mit Unsicherheit und Zweifeln verbunden ist. Wir fragen uns ständig: Kann ich das überhaupt? Bin ich gut genug? Dabei ist es gar nicht so entscheidend, wie es tatsächlich um unsere Leistungsstärke bestellt ist. Denn wir orientieren uns häufig an überhöhten Idealen, die meist nur in unserer Phantasie existieren. Die Tragik: Eine Frau, die keine Schwächen an sich dulden kann, immer perfekt sein muss, diese Frau verliert zwangsläufig.
Psychologen gehen davon aus, dass unser wackeliger Selbstwert zu etwa einem Drittel genetisch bestimmt ist. Prägender sei die Kindheit. Speziell die Anerkennung durch die Eltern spiele eine Rolle. Selbstzweifel seien wie ein „innerer Richter“, der Moral- wie Leistungsansprüche hochhalte, mit denen man aufgewachsen sei. So werden Mädchen zur Anpassung erzogen, ihnen wird von den Eltern (oft unterschwellig) besonders Empathie abverlangt. Mit anderen Worten: Töchter sind verantwortlich dafür, wie gut es ihren Erzeugern geht. Kommt Dir das irgendwie bekannt vor? Mir schon.
Dummerweise verlangen wir uns noch dazu gegenseitig Anpassung ab. Sobald eine von uns aufsteigt, nach eigenen Maßstäben lebt, nehmen wir das als persönlichen Affront und versuchen, unsere Geschlechtsgenossin wieder in das uns vertraute Gefilde zurückzuholen. Psychologen führen dieses Verhalten auf archaische Muster zurück.
Wie dem auch sei, damit verhindern wir uns nur gegenseitig, machen uns gegenseitig unglücklich. Sollte man nicht schauen, was besser für die Andere ist anstatt daran zu hängen, was man selbst will? Wäre es nicht besser, wir würden uns stattdessen ermuntern, uns öfter mal Applaus spenden, einfach so? Ohne Leistung, ohne Erfolge. Nun, jedenfalls ist es schon mal begrüßenswert, dass sich die Zeiten und damit die Erziehung gewandelt haben. Junge Frauen von heute haben ein viel gesünderes Selbstbewusstsein, treten viel bestimmter auf. Mit einem Dilemma sind aber auch sie noch konfrontiert: die Entscheidung zwischen Karriere, Kinder oder beides. Es bleibt ihnen der ewige Zweifel, ob sie auch wirklich die richtige Entscheidung getroffen haben.
Nicht grübeln, handeln!
Der Zweifel – so gelesen bei Autorin Julia Friese – sei noch viel schlechter als sein Ruf. Wer zaudert, verpasse das eigene Leben. Erfolgreich wird nur, wer sich nicht hinterfragt. Wer zweifelt, verhindert, handeln zu müssen. Friese schreibt: „Und letztlich machen wir dann gar nichts.“ Aus Angst zu versagen, würden wir uns versagen, etwas zu machen. Das sei doch irre. Warum also verharren wir, klagen und zweifeln? Weil eine Sehnsucht zu haben, schöner ist, als an einem Traum zu scheitern? Friese meint: „Und wie dumm sind wir, dass wir darauf warten, jemand würde endlich das in uns sehen, was wir niemandem zeigen?“
Wie Recht sie damit hat. Auch ich schiebe Entscheidungen und ergo das Verantwortung übernehmen vor mir her. Ich rede von Kindheitstrauma, Angst, alten Mustern, Widrigkeiten. Beim Reden finde ich Erklärungen oder eher Ausreden dafür, dass alles genau so bleiben muss wie es ist.
Zweifel – mit Mut zum Risiko
Eigentlich sind Zweifel ja per se nicht schlecht. Bevor wir Entscheidungen treffen oder gar Handeln, macht es durchaus Sinn, das Ganze nochmal zu hinterfragen. Eine gewisse Risikoabwägung, die Auseinandersetzung mit Bedenken kann vorteilhaft sein – jedenfalls besser als mit übertriebenem Selbstbewusstsein weder nach links noch nach rechts schauen.
„Gelobt sei der Zweifel! Ich rate euch, begrüßt mir heiter und mit Achtung den, der euer Wort wie einen schlechten Pfennig prüft!“ Bertold Brecht.
Und vielleicht sind ja gerade unsere Zweifel, eine wichtige Quelle für unsere Kraft und Kreativität, für unseren Mut zum Ausdruck. So kämpfte Elizabeth C. Stanton für die Gleichberechtigung der Frau. Margarete Steiff gelang es als Mensch und Unternehmerin, die Grenzen ihrer Krankheit und ihrer Epoche zu überwinden. Frida Kahlo malte, um sich trotz Behinderung zu entfalten. Simone Beauvoir schrieb und verhalf dem Feminismus zu neuem Auftrieb. Hannah Arendt brachte uns die Freiheit des Denkens näher. Die wohl jüngste Weltverbesserin ist Malala Yousafzai aus Pakistan.
Sie alle hatten wahrscheinlich auch Zeiten des Zweifelns. Doch nachgegeben haben sie ihnen nicht. Warum auch? Zweifel sind im Grunde Phantasien, Projektionen, die uns zaudern lassen, wenn Angst aufkommt. Doch wo die Angst ist, da geht es lang. Wenn ich beispielsweise bei einem neuen Job befürchte, ihm nicht gewachsen zu sein, dann gilt es, sich dieser Angst zu stellen. So schlimm, wie man sich die Dinge ausmalt, werden sie meist nie. Und wenn Probleme entstehen sollten, kann man sie immer noch lösen. Man darf nicht warten, denn mit jedem Moment, den man zögert, vergeht ein Stück Möglichkeit, etwas zu erreichen; es vergehen Chancen, das eigene Leben zu gestalten.
Und was ist jetzt mit meinem Blog? Wenn ich an mein Vorhaben denke, dann habe ich immer noch Zweifel, ob er funktionieren wird. Aber ich gehe trotzdem ohne Plan B ins Gefecht, nehme das Risiko auf mich. Was habe ich schon zu verlieren? Die Chance, Inspirationen zu bekommen, Erkenntnisse zu gewinnen und neue starke Frauen kennenzulernen, ist doch wesentlich größer. Oder etwa nicht?
von Hilde
Foto-© Inkje (photocase)
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