Zuhause – das ist Heimat, ein Stück Lebensqualität. Deshalb ist das Nachdenken darüber, wie wir in Zukunft wohnen wollen, gut investierte Zeit. Jedenfalls, wenn man bis ins hohe Alter selbstbestimmt leben möchte. Beste Zeit damit anzufangen, ist mit 50. Denn gute Lösungen sind nicht leicht zu finden.
Wie die meisten möchte auch ich so lange wie möglich zuhause wohnen bleiben. Nur was ist, wenn sich das treppenreiche Haus oder das nicht barrierefreie Bad zu unbeherrschbaren Herausforderungen entwickeln? Bei mir war es u.a. die teure Altbau-Wohnung im 2. Stock und die ewige Parkplatzsucherei, die mich in die etwas außerhalb der Großstadt liegende Hochparterre-Wohnung führte. Drei Jahre Suche! Wohntechnisch Akzeptables und Bezahlbares sind bekanntermaßen schwer zu finden.
Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf zu haben
Doch die altersgerechte Wohnung ist es nicht allein. Denn unsere moderne Gesellschaft ist kompliziert. Heute gibt es kaum noch Familien, deren Generationen unter einem Dach wohnen. Partner und Freunde versterben, Kinder ziehen weg, Nachbarn (wenn wir sie überhaupt noch kennen) auch. Mit dem Älterwerden erhöht sich ergo das Risiko, dass unser soziales Umfeld bröckelt. Der Abnahme der sozialen Kontakte etwas entgegenzusetzen, wird mit zunehmendem Alter immer schwieriger. Speziell, wenn eventuelle gesundheitliche Einschränkungen hinzukommen und sich die Möglichkeiten reduzieren, sich außer Haus und unter Menschen zu begeben. Alleinsein ist so schon heute ein viel ernsteres Problem, als allgemein angenommen wird. So überrascht es nicht, dass es in England eine Ministerin gegen Einsamkeit gibt. Für Deutschland wäre das auch eine gute Idee.
2030 soll die Zahl der Einzelhaushalte auf 80 % steigen! Mindestens 40 % der Bewohner werden über 60 Jahre alt sein. Fast die Hälfte aller Frauen über 65 Jahren führt bereits jetzt einen eigenen Haushalt. Unter den gleichaltrigen Männern lebt nur etwa ein Fünftel allein. Ab dem 85. Lebensjahr sind sogar drei von vier Frauen allein, jedoch nur einer von drei Männern (Statistisches Bundesamt).
Neue Strukturen für das Leben von morgen
Wir leben also in einer Zeit, in der sich die Definition und das Verständnis von unserem Zuhause verändert, ja verändern muss. Selbst die Kommunen begreifen langsam aber sicher, dass Alternativen geschaffen werden müssen. Sie fördern vermehrt Stadtteile und die verschiedensten Projekte des gemeinschaftlichen Wohnens, um altersgerechtes und inklusives Zusammenleben zu ermöglichen.
Parallel gibt es mehr und mehr Menschen, die sich für neue Wohnformen interessieren. Da gibt die verschiedensten Konzepte bzw. Konstellationen. Hier gilt es erst einmal, sich einen Überblick zu verschaffen. Schnell wird klar: das Geeignete zu finden ist alles andere als leicht. Projekt A liegt in einer zu entfernten Stadt, Projekt B jwd auf dem Land. Projekt C sind Eigentumswohnungen, die man sich nicht leisten kann. Projekt D ist nur für junge Familien gedacht und Projekt E mischt Flüchtlinge, sozial Schwache mit Senioren – ein Konzept, das nicht jeden anspricht. Ein Projekt für Mehrgenerationen und gemischtes Publikum wäre interessant, ist aber bereits voll besetzt.
Schließlich erscheint Projekt E annähernd perfekt. Die Vorstellungen dieser Gruppe hinsichtlich eines gemeinsamen Zusammenlebens ähneln den deinen. Doch hier ist das Grundstück das Problem. Die Gruppe sucht schon seit Jahren vergeblich. Grund: Die deutschen Kommunen haben jahrelang ihre Flächen zu horrenden Preisen an Immobilienhaie verkauft. Zu wenig Fläche ist übriggeblieben. Auch zeigen viele Kommunen immer noch mehr Interesse für die Ansiedlung von Gewerbe, das Geld in die Kassen spült, als für die Wohnbedürfnisse ihrer Bürger.
Andere Städte wie Frankfurt am Main vergeben nach einem Konzeptverfahren Teile von zur Verfügung stehenden Flächen. Immerhin 15 %. Wem denn das Glück hold war und mit seinem Konzept ein Grundstück ergatterte, braucht dann noch einen geeigneten Bauträger. Der soll den Bau des Wunschhaues finanziere. Die einen wenden sich an ein Wohnungsbauunternehmen, andere schließen sich einer Genossenschaft an oder gründen selbst eine. Wieder andere ziehen in Projekte, die von der Kirche, Sozialverbänden oder sonstigen Trägern aufgezogen werden.
Am besten mit 50 anfangen
Es ist schnell klar, dass solch‘ ein Vorhaben nicht gerade leicht zu stemmen ist. Konzepte sind zu erstellen, geeignete Partner zu finden, Prozesse in die Wege zu leiten. Das dauert, braucht Durchblick, Kraft und Durchhaltevermögen. Dazu kommt die Ungewissheit, ob das , worauf man sich einlässt, überhaupt klappt. Vieles kann noch schief gehen. Kein Wunder also, dass Experten meinen, dass 50 das beste Alter sei, um als älterer Mensch in ein solches Projekt einzusteigen. Zumindest wäre es eine gute Zeit, damit anzufangen, sich über das zukünftige Wohnen ernsthaft Gedanken zu machen.
Es gibt noch mehr Gründe, warum 50 dafür so ein guter Zeitpunkt ist. 50 ist für die meisten der Beginn eines neuen Lebensabschnitts oder gar eine Art Wendepunkt im Leben. Im Allgemeinen gehen die Kinder langsam aus dem Haus. Im Beruf hat man meisten das erreicht, was man erreichen konnte oder wollte. Die Partnerschaft steht vielleicht auf dem Prüfstand. Die bevorstehende nachberufliche Phase taucht bereits ab und an als Thema auf. Manche erfinden bzw. orientieren sich jetzt sogar noch einmal vollkommen neu. Bei dieser Auseinandersetzung geht es demnach nicht rein um „Altersvorsorge“, sondern um das Finden einer neuen, für jeden individuell geeigneten Wohnform, die in die Zukunft trägt. Zugleich geht es um die Herausforderungen einer neuen Lebensphase, die – anders als zuvor – merklich nach oben begrenzt ist.
Die Suche beginnt
Inzwischen habe auch mich auf die Suche begeben. Diese Reise ist bisher eine einzige Achterbahnfahrt – und so aufrüttelnd, dass ich darüber hier im Blog weiter ganz persönliches berichten will. Ich würde mich freuen, wenn ihr mich ein Stück begleitet. Wie geht es Euch mit diesem Thema? Denkt Ihr überhaupt darüber schon nach? Oder lasst ihr wie die meisten, alles auf Euch zukommen?
von Hilde
Foto-©: Stock- -ID:496268754 kupicoo
Hallo Hilde,
ich war noch verheiratet und die Kinder noch im Haus, als ich begonnen habe von der Alters-WG o.ä. zu sprechen. Also über 15 Jahre her. Damals weniger mit dem Blick auf die drohende Einsamkeit, die heute durch ganz gewöhnliche Entwicklung von Familien entsteht (Kinder ziehen aus und oft auch weiter weg, Partner versterben oder trennen sich). Gerade für Frauen steht nach der Zweisamkeit am Ende oft die Einsamkeit.
Mein Blick richtete sich vielmehr auf meine verschiedenen Bedürfnisse, die ein einziger Mensch und Partner gar nicht erfüllen kann, wie auch das was ich geben kann und möchte, einen einzelnen Partner überfordert, weil er mein ganzes Portfolio gar nicht verarbeiten kann.
Heute bin ich nicht mehr verheiratet, über 50, die Kinder sind ausgezogen und ich habe mich beruflich und räumlich nochmal verändert. Jetzt erlebe ich genau das, was ich vor Jahren schon erahnte. Trotzdem vermochte ich mich nicht davor zu schützen. Einsamkeit.
In meiner alten Wahlheimat, der schönen Pfalz, habe ich begonnen den Markt der verschiedenen Wohnprojekte zu verfolgen. Landau hat diesen Markt für sich entdeckt und vergibt mehr Flächen an Wohnprojekte als je geplant, weil die Stadt erkennt, dass sie gute Steuerzahler und eine gute soziale Struktur in die Stadt locken kann. Darin steckt für mich aber schon die nächste Tücke. Der Markt scheint nichts für Menschen mittleren Einkommens zu sein. Mir ist leider kein Projekt begegnet, für das ich mich nicht mindestens mein restliches Berufsleben lang verschulden müsste. Gut, meine Miete ist auch zu viel, aber daran kann ich relativ schnell etwas ändern, wenn der Schuh zu doll drückt. An einer solchen Verpflichtung nicht.
Ich habe mich in Frankfurt beim Netzwerk für gemeinschaftliches Wohnen informiert und dort bisher genau den gleichen Eindruck gewonnen. Ein Projekt mit der Idee von Clusterwohnungen verfolge ich näher, was daran liegt, dass mein Arbeitgeber involviert ist. Spannend aber nicht ganz meins, weil damit eine große Nähe zu vielen Menschen aus meinem Arbeitsumfeld verbunden ist. Außerdem bedeutet Clusterwohnen die gemeinsame Nutzung von Wohnraum und Küche. So wird es mit dem Kontakt schon zum Muss.
Meine Idealvorstellung wäre ein großer Hof, drei- oder vierseitig bebaut mit Innenhof zur gemeinsamen Nutzung und gemeinsamen Treffen. Wenn man sich dann besser kennt, kann man sich im Winter oder bei Bedarf auch in den eigenen Räumen zusammen setzen und gegenseitig besuchen. Alles kann, nichts muss.
In Nidderau habe ich einen solchen Hof gesehen. Wäre beinahe eingezogen, aber die Wohnung war sehr dunkel und der Arbeitsweg zu weit.
Eine gute Wohnform für das Leben nach dem dritten Mondknoten zu finden ist nicht einfach, braucht einen langen Atem und sicher auch eine gute Portion Glück. Für mich ist es auch wichtig, dass die Gemeinschaft noch eine gute, aktive Zeit miteinander erlebt, bevor es an die gegenseitige Unterstützung geht. Denn diese gemeinsamen guten Erlebnisse stärken die Gemeinschaft. Wer erst mit 70 oder mehr an eine solche Gemeinschaft denkt hat meines Erachtens den Versorgungsaspekt zu sehr im Fokus.
Übrigens: am 28.09.2019 ist Tag des Wohnprojektes in Frankfurt. Näheres kann man erfahren über das Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen.
Herzliche Grüße
Annette