Es wird gewachst, rasiert und epiliert, was das Zeug hält. Hauptsache, die Haut ist haarlos und glatt. Speziell junge Frauen finden Körperhaare eklig. Mittlerweile auch dort, wo es intim ist. Und was ist mit Frauen 50+? Unterwerfen sich die auch dem Diktat der Haarlosigkeit?

Seit das Alter mehr Testosteron und damit unerwünschte Kinnhaare beschert, gehe ich regelmäßig zum Sugaring. Das ist Haarentfernung mit Hilfe einer Zuckerpaste. Meine regelmäßigen Besuche im Studio brachten mich auf das Thema Körperhaare. Auffällig ist, dass sich dort vor allem viele jüngere Frauen (und Männer) regelmäßig fast alle Haare am Körper entfernen lassen. Die Schamhaare zu rasieren gehört inzwischen zum modischen Diktat.

Die Scham ist vorbei

Nun ist das ja nichts so Ungewöhnliches, dass Haare an gewissen Stellen des Körpers nicht unbedingt unserem Schönheitsempfinden entsprechen. Im alten Griechenland und im antiken Rom waren Intimrasuren durchaus üblich und sind es bis heute in den arabisch-muslimischen Ländern. Im alten Ägypten entfernten sich die Frauen sogar die Augenbrauen. Als es in den 70er Jahren hierzulande noch Usus war, sich von der Norm loszusagen, man Körper zeigte, Kopfhaare lang wachsen und auch alle sonstigen Körperhaare sprießen ließ, rasierte ich bereits Achseln und Beine. In Frage gestellt habe ich das damals noch nicht mal im Ansatz. Wie ein Schaf folgte ich einfach der Herde meiner amerikanischer Geschlechtsgenossinnen.

Inzwischen schrieb die amerikanische Journalistin Ariel Levy das Buch „Female Chauvinist Pigs“. Hierin beschreibt sie eindrücklich, wie weit sich die Pornoindustrie im amerikanischen Mainstream nicht nur etabliert, sondern sich regelrecht zur Kulturinstanz gewandelt hat und die US-amerikanische Fashion- und Lifestyletrends tief beeinflusst. Was das mit Intimrasur zu tun hat? Am besten selbst nachlesen! Jedenfalls haben es das Trendsetteland und seine Industrien geschafft, dass Schamrasuren auch bei uns in Deutschland immer selbstverständlicher werden, wie dies Achsel- und Beinrasuren schon seit Jahrzehnten sind.

In den 80ern gings dann los mit den Fitnessstudios (auch ein Trend aus USA). Man formte den Körper. Die Kosmetikindustrie überschwemmte uns mit Mitteln gegen Haare wie auch gegen das Schwitzen. Denn beides ging gar nicht – das hämmerten uns findige Marketingstrategen jedenfalls ein. Etwas völlig Normales wurde ab sofort abgelehnt. Die 90iger setzen noch einen drauf. Alles drehte sich um Hygiene, sauber rasiert, klinisch rein musste es sein. Köperhaare sind seitdem völlig verpönt. Auch „da unten“ Der Körper bekam etwas kindliches, Manga-style-mäßiges.

In Mode: Unten ohne

Inzwischen beginnen schon 14- bis 15-jährige Mädchen, sich die Körperhaare zu entfernen. Sie finden Haare – speziell im Intimbereich – eklig und unhygienisch. Eine Studie nach der anderen unterstützt diesen Glauben – meist finanziert von Firmen wie Gillette, Philips und Wilkinson, die mit der Enthaarungsmode gute Geschäfte machen. Demnach wünschen sich über 60 Prozent der Frauen angeblich, dass sich Männer auch im Intimbereich rasieren. Gemeldet wird auch, dass unrasierte Frauen weniger attraktive Sex-Partnerin seien. Wahr ist daran nichts. Haare sind nicht unhygienisch. Das Gegenteil ist der Fall. Haare bieten Schutz: vor Schmutz, vor Bakterien. Sie regulieren das Schwitzen. Dermatologen halten es die komplette Körperenthaarung sogar für gefährlich.

Gleichzeitig verkünden selbst seriöse Studien, dass bei jüngeren Menschen die enthaarte Schamzone längst ein Massenphänomen ist. Das Universitätsklinikum Leipzig hat eine Befragung durchgeführt. Darin bestätigten rund die Hälfte der Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren, dass sie sich „unten“ rasierten, ein etwas geringerer Anteil der Männer ebenso. Bei einer etwas älteren Gruppe von Studierenden bekannten sich sogar 88 Prozent der befragten Frauen (und 67 Prozent der Männer) zur Intimrasur.

Kein Wunder. Medien und Werbung sind voll von Körpern mit makelloser, haarloser Haut, von Ratschlägen zum effektiven Entfernen von Haaren und von Styling-Tipps rund um den Intimbereich. Brazilian, Landing Strip, Irokese – schon mal gehört?

Die Angst vor der Frau

Feministinnen interpretieren diesen Trend als ein Symbol der Angst vor Sexualität, die mit der Pubertät zu wachsen beginnt. Sexuell aktiv zu werden habe eine Dimension, die bei Frauen als gefährlich, ja animalisch gilt. Speziell weibliche Sexualität hätte etwas Unkontrollierbares, Entfesseltes. Im Konzept der Haarentfernung im Intimbereich schwinge somit die Idee der Zähmung des weiblichen Geschlechts mit. Unbehaarte Frauen mit einer Kindermöse sind keine Gefahr mehr für den Mann. Die Entfernung der Haare gleiche einer Ent-Sexualisierung der Frau –ähnlich wie es die Burka bei arabischen (enthaarten) Frauen bewirkt. Dahinter steckt die Idee, dass die Welt den Männern gehört. Frauen, die zu sich stehen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen, stellen eine Bedrohung dar, weibliche Sexualität ein Tabu. Für die Feministinnen ist Haarentfernung ergo eine Form der Unterwerfung.

Kampf der Frauen

Nun wollte ich die Intimrasur bei Frauen nicht gleich zu einem feministischen Problem erheben.  Der Trend zur haarlosen Haut gilt ja nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Er ist inzwischen schon so stark, dass er mich an die Idealkörperkultur totalitärer Systeme erinnert. Nur Körper frei von jedem Makel sind tolerierbar. Die Körper muss einer ganz bestimmten, einheitlichen Norm folgen, um akzeptiert zu werden.

Andererseits vielleicht doch. Denn es ist ja nun nicht gerade normal, wenn Frauen beim Anblick ihrer eigenen Schamhaare Ekel empfinden, als wären es Haare in der Suppe. Warum folgen so viele Frauen den Aufrufen der Werbung und der Medien ohne auch nur einmal das Ganze kritisch zu hinterfragen? Schließlich müssten doch gerade wir es besser wissen. Diktieren Schönheitsrituale nicht bereits seit Jahrhunderten unverändert ein bestimmtes Bild der Frau? Wird der weibliche Körper nicht schon immer sexualisiert und instrumentalisiert?

Geändert hat sich daran wenig. Nur die Art der Werbung in den Massenmedien ist neu. Neue Bilder graben sich ins Unterbewusstsein ein, Wiederholungen verinnerlichen den neuen Look: von makellosen, komplett rasierten Körpern und nackten Mösen. Obgleich wir selbstsicher, klug und unabhängig sind, in puncto Mann und Sexualität stecken wir immer noch in alten „ich-will-gefallen“-Rollenbildern. Besonders arg ist, dass immer mehr Frauen nach einer Voll- oder Teilrasur im Intimbereich darüber hinaus einen kritischen Blick auf ihre Genitalien entwickeln. Diese neue Sichtbarkeit der äußeren weiblichen Genitalien führt dazu, dass sich auch hier neue Schönheitsnormen herausbilden. Chirurgische Eingriffe zur Korrektur oder Straffung von Schamlippen nehmen zu.

Heute rasieren sich Frauen also die Scham aus Scham. Früher oder später werden wir das wohl alle als völlig natürlich, schön und weiblich empfinden. Morgen rasieren wir uns vielleicht schon die Augenbrauen nur weil irgendwelche Hollywood Stars es uns vormachen. Wie wäre es also, liebe Geschlechtsgenossinnen, wenn wir ab sofort lernen, nicht mehr Teil der Masse sein zu wollen; dass Frauen sich keine Kindermuschi zulegen müssen, um für Männer attraktiv zu sein? Wie wäre es, wenn jede Frau nach eigenem Gusto über ihren eigenen Körper bestimmen würde, ihm eine eigene Bedeutung gibt und den Mut hat, sich selbst und im Zweifelsfall auch anders zu sein? Unterstützen wir uns gegenseitig, uns ein Stück Weiblichkeit zurück zu erobern. Und gönnen wir  doch das gleiche auch unseren Männern. Denn wer behauptet, Körperhaare seien unästhetisch, hat noch nie weiche Brusthaare an einer schönen Männerbrust gekrault.

Foto_copyright: Rike