Freunde sind wichtig. Manche begleiten uns sogar unser ganzes Leben. Aber was darf man von ihnen erwarten? Ein Essay über die Kostbarkeit von echter Freundschaft.
Emmi ruft an. Sie ist maßlos enttäuscht über das Verhalten einer langjährigen Freundin. Die hatte Emmi nicht besucht. als diese kürzlich krank war – trotz Einladung per SMS. Es war nicht das einzige Ereignis, dass Emmi zum Nachdenken brachte. „Wenn wir miteinander reden, geht es meistens nur um sie“, ergänzt sie und vermutet, dass die Freundin sogar nicht mal genau wüsste, was sie beruflich macht. Emmi ist verunsichert. Kann sie von einer Freundin nicht ein bisschen mehr Einfühlungsvermögen und Beistand erwarten oder zumindest erhoffen? ist sie etwa zu anspruchsvoll?
Wo die Liebe hinfällt
Tatsächlich scheint es in uns allen eine Art Sehnsucht nach einem Freund zu geben, sagen die Psychologen, und zwar von der Urzeit an. Wir suchen nach Menschen, die uns durchs Leben begleiten. Warum es uns intuitiv zu jemandem hinzieht, lässt sich meist nur erahnen. Manchmal teilen wir die gleichen Interessen. Manchmal genießen wir es einfach, dass die Freundin anders ist als wir. Sie öffnet uns den Zugang zu neuen Erfahrungen und Erlebnissen. Andere suchen den guten Kumpel, mit dem sie Dinge gemeinsam unternehmen können, der sich mit ihnen verbündet, der sie bestärkt und bestätigt. Wieder andere wollen einfach nicht alleine sein oder möchten gar vom anderen profitieren. Freundschaften basieren demnach nicht ausschließlich auf spontaner Sympathie, sondern können auch reine Zweckbündnisse sein. Im besten Fall lernen wir die Person kennen und mögen, teilen die gleichen Werte und – wenn wir es hegen und pflegen – wächst das Pflänzchen der Freundschaft zu einem stabilen Baum.
Durch dick und dünn
„Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern“, schrieb Aristoteles. Was für eine schöne Vorstellung. Ich persönlich habe auch ein etwas größeres, vielleicht ein zu hehres Bild von Freundschaft. Zumal der Wert von Freundschaften einen massiven Wandel erlebt hat. So wird heutzutage einerseits das Wort „Freund“ recht inflationär gebraucht. Schon jemanden, mit dem wir regelmäßig einem Hobby nachgehen oder der uns auf Facebook „liked“ nennen viele „Freund“. Anderseits ersetzen Freunde oft Familienmitglieder und sind wichtige Eckpfeiler im Leben. Dss ist auch bei mir der Fall.
Freundschaft bedeutet für mich daher mehr, als nur eine gute Zeit miteinander zu verbringen. Ich möchte behaupten, dass eine gute Freundin fest an meiner Seite steht – besonders in harten Zeiten. Ich kann ihr voll vertrauen. Ihre Meinung, ihre Ideen, ihr Leben, ihr Tun sind mir wichtig. Wir unterstützen uns gegenseitig, bieten uns Halt, bauen einander auf. Ja wir können sogar miteinander streiten und einander verzeihen. Selbst wenn wir mal eine Weile keinen Kontakt hatten, sind wir uns vertraut und fühlen uns verbunden. Wir kennen unsere Wahrheiten und Gedanken – selbst die, die uns selbst Angst machen. Freundschaft – das ist so etwas wie ein gegenseitiges „durchs Leben tragen“, auch wenn es ab und an bedeutet, ein Opfer zu bringen.
Darin besteht die Liebe: Dass sich zwei Einsame beschützen und berühren und miteinander reden. Rainer Maria Rilke
Wenn wir unsere Beziehungen nach diesen Kriterien prüfen, wie viele Freunde bleiben dann noch übrig? Vermutlich recht wenige. Es ist auf jeden Fall interessant, seine eigenen Freundschaften von Zeit zu Zeit zu hinterfragen. Warum eigentlich bin ich mit dieser Person befreundet? Was sind die tragfähigen Säulen dieser Beziehung und was kann ich tun, damit dies weiter so bleibt?
Vergängliche Kostbarkeit
Auf der Suche nach Antworten werden wir feststellen, dass die Qualitäten von Freundschaften vielfältig sein können: von reiner Gewohnheit bis hin zur Seelenverwandtschaft kann alles hineinspielen. Gut ist, wenn beide Seiten sich wohl fühlen. Dann ist ja jede Form von Zusammensein in Ordnung. Was aber, wenn nicht? Eine Tatsache ist, nicht jede Freundschaft währt ewig. So hat es wahrscheinlich jede von uns schon mal erlebt, dass uns Freunde enttäuschen oder gar, dass sich Freundschaften auseinanderentwickeln.
Denn wir selbst verändern uns ständig und manchmal verändern sich halt auch die Personen, die wir am besten zu kennen meinen. Wir werden reifer, konzentrieren uns auf Neues – und stellen dann ab und an fest, dass wir mit der Freundin nur noch wenig gemeinsam haben. Hat eine Freundschaft aufgehört, unser Leben zu bereichern und ein Stück zu unserer Lebensqualität beizutragen, scheint es legitim, dass man sich Gedanken macht, wie es jetzt weitergehen soll oder ob man die Sache nicht besser gleich beendet. Schlimm? Eigentlich nein. Jedenfalls nicht, solange man sich dessen bewusst ist bzw. die Schuld nicht denen zuweist, von denen man sich entfernt.
Trotzdem würde ich persönlich die Frage mit „ja“ beantworten. Wir vergessen häufig, wie weh es tut, wenn eine Freundschaft zerbricht, wenn uns andere gar die Freundschaft aufkündigen. Rückblickend meine ich heute, dass ich vielleicht die eine oder andere frühere Freundschaft zu leicht aufgegeben habe. Auch war mein Anteil an ihrem Ende oder gar Scheitern wohl größer als mir lieb ist.
In guten wie in schlechten Zeiten
Freundschaft, so ein Bild, ist die Kunst, unsere Wertschätzung füreinander zu vertiefen – trotz etwaiger Enttäuschungen oder unerfüllter Erwartungen. Schließlich ist sie etwas ganz Großartiges, etwas, was mit Herzenswärme und -güte zu tun hat. Sie ist idealerweise eine gegenseitige Zuneigung, die sich wie ein unsichtbares Band verflochten hat.
Eine Studie der Glücksforschung befindet echte und tiefe Beziehungen zu anderen sogar als einen wesentlichen Schlüssel zum Glück. Denn Freundschaften geben dem Leben einen Sinn. Das Gefühl, nicht allein auf der Welt zu sein, hilft in guten wie auch in schweren Zeiten dabei, den Alltag zu bewältigen. Und ist es nicht auch ein gutes Gefühl, für einen anderen da zu sein und für sie oder ihn eine wichtige Rolle zu spielen?
„Was hat Emmi nun gemacht?“, fragst Du bestimmt. Nun, wie ich sie kenne, wird sie mit der Freundin reden, deutlich, aber auch einfühlsam. Denn Emmi ist jemand, der Freundschaft intensiv führen will. Wenn sie fragt: „Wie geht es dir?“, möchte sie wirklich wissen, wie es dir geht. Es gibt kaum einen Zweifel, ein schlechtes Gefühl, einen inneren Abgrund über den Emmi mit ihren engen Freunden nicht reden würde. Ihre Freundin schätze ich eher so ein, dass sie, wenn sie fragt „Wie geht’s?“, meist voraussetzt, dass schon alles in Ordnung ist. Was würde sie wohl tun, falls nicht? Wäre sie eine Hilfe? Eine echte Freundin? Wollen wir es mal für Emmi hoffen.
Welche Erfahrungen hast Du mit Freundschaften gemacht? Wie wichtig sind Dir beste Freunde? Hast Du schon mal eine Freundin verloren? Wie viele wirklich gute Freundinnen braucht es zum glücklich sein? Ich freue mich auf Deinen Kommentar.
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Sehr guter Artikel, danke dafür! Hab nach einem Portal für heterosexuelle Frauenfreundschaften gesucht und nur http://frauenfreundschaft.blogspot.com gefunden – oder gibt es noch so etwas?
LG ManuelA