Jahr für Jahr werden Millionen Menschen auf Anzeichen von Krebs untersucht. Doch die Versprechen der Früherkennung sind oft überzogen. Hier ein Blick auf die Mammographie. Darf ich mich gesund fühlen, auch wenn ich die Termine nicht in Anspruch nehme? Oder verpasse ich eine Chance?

Kürzlich bin ich mal wieder zur zweijährigen Mammografie-Untersuchung eingeladen worden. Empfohlen wird sie so ab 50, denn dann lassen sich Veränderungen in der Brust gut erkennen. Ein ganz schöner Schreck war daher der Anruf des Zentrums, ich müsse nochmal kommen, weil eine Aufnahme nochmal neu gemacht werden müsse. Bei solchen Vorsorgeuntersuchungen geht mir immer tierisch die Muffe – so arg, dass ich meist Wochen brauche, um mich einigermaßen wieder davon zu erholen.

Ich habe mal rumgefragt, ob andere Frauen in meinem Bekanntenkreis ebenfalls regelmäßig zur Mammografie gehen und wurde überrascht. Viele gehen nämlich gar nicht oder unregelmäßig hin. Deshalb wollte ich mal wissen, was nach heutigen, gesicherten Erkenntnissen Sinn macht. Welche Untersuchungen hinsichtlich Brustkrebs sind noch „state-of-the-art“?

Chancen und Risiken

Einig ist man sich jedenfalls nicht. Die Mammographie ist umstritten.

Pro: Experten schätzen die Untersuchung als sinnvoll ein, weil sie Brustkrebs im Frühstadium entdeckt. Rund 80 Prozent der Karzinome sind nämlich kleiner als zwei Zentimeter. Durch reines Abtasten würden sie unentdeckt bleiben. Die Behandlung von Krebs ist bei Früherkennung zudem weniger belastend und in den meisten Fällen auch erfolgreicher. Pro 1.000 Frauen, die zwanzig Jahre lang regelmäßig zum Mammographie-Screening gehen, werden etwa zwei bis sechs vor dem Tod bewahrt.

Contra:

1) Die Röntgenstrahlung. Tatsächlich ist das Risiko einer schädlichen Röntgenstrahlung aber eher als gering einzustufen und in etwa gleichzusetzen wie die Strahlung bei einem Flug von Berlin nach Mallorca. Experten gehen davon aus, dass die Strahlung bei einer von 1.000 Frauen Brustkrebs entstehen lässt.
2) Die Mammographie kann einen Tumor erkennen, der vielleicht gar keiner ist. Erst eine Gewerbeprobe bringt Sicherheit. Etwa 24 von 1.000 untersuchten Frauen bekommen eine solche falsche Erstdiagnose. Ein Alptraum.
3) Die Mammografie erkennt auch kleinere Tumore, die langsam oder gar nicht wachsen. Etwa neun bis zwölf von 1.000 untersuchten Frauen bekommen eine solche Überdiagnose.

Brustkrebs ist in Deutschland das häufigste Krebsleiden bei Frauen. Jedes Jahr erkranken etwa 75.500 Frauen.
Nur drei von hundert Frauen sterben daran. Je früher der Brustkrebs entdeckt wird, umso größer sind die Heilungschancen.
Etwa 80 von 100 Frauen mit Brustkrebs haben ihren Tumor dabei selbst entdeckt.

Alternativen

Trotz der Nachteile sei die Mammographie zurzeit die beste Methode, um Brustkrebs frühzeitig zu erkennen, sagen Experten. Alternativen wie Magnetresonanztomographie oder Ultraschall kämen nur ergänzend zur Mammographie in Betracht. Unverzichtbar ist es dagegen, sich einmal pro Monat selbst zu untersuchen, um Veränderungen rechtzeitig wahrzunehmen. Allerdings kann auch die regelmäßige Tastuntersuchung bei der Gynäkologin bildgebende Verfahren wie die Mammographie nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen. Darin sind sich die meisten Brustkrebsspezialisten einig.

Absolute Sicherheit gibt es nicht

Die Prozentzahl der Frauen, die man durch eine Mammografie vor dem Tod bewahrt hat, ist also nicht gerade hoch. Auch kann durch eine Mammographie nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass sich zwischen zwei Untersuchungen nicht doch ein Tumor bildet oder aber trotz Screening unentdeckt bleibt. Für die Frauen, der die Mammographie das Leben gerettet hat, war sie jedoch bestimmt die Mühe wert.

Jede Frau muss also für sich selbst die Entscheidung treffen, ob sie zur Mammographie geht oder nicht. Sicherlich spielen auch individuell wahrgenommene Risiken wie beispielsweise frühere Krebserkrankungen, Übergewicht oder die Einnahme von Hormonen in den Wechseljahren eine wichtige Rolle.

Und was gilt im Alter?

Ab 69 J. ist übrigens Schluss. Grund ist, dass Brustkrebs in diesem Alter meist nicht die Todesursache ist. Der Tumor hätte in den meisten Fällen keine Beschwerden verursacht und wäre ohne die Mammographie nicht entdeckt worden. Damit die Frauen nicht unnötig behandelt werden müssen, raten Experten von der Mammographie ab 70 ab.

Übrigens, was bei Brustkrebs gilt, trifft übrigens oft auch auf andere Krebsarten zu. Laut Prof. Dr. Ingrid Mühlhauser wird bei Älteren manchmal eine Erkrankung entdeckt, die zu diesem Zeitpunkt schon unheilbar ist – sodass die frühe Diagnose den Kranken nur länger krank sein lässt. Oder man findet bei einem älteren Menschen Krebs, der so langsam wächst, dass er oder sie höchstwahrscheinlich an etwas anderem sterben wird. Deshalb gälte allgemein: Je älter und kränker die Menschen sind, umso sinnloser werden Vorsorgeuntersuchungen. Na dann.

Quelle: Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen, Universität Bielefeld

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